Man würde erwarten, dass der Verfasser von „LECKT MICH IM ARSCH UND F*CKT EUCH ALLE!!!“ eine randalierende, tätowierte Gestalt ist, die ihre Weisheiten auf die Wände von Bahnhofstoiletten kritzelt. Die Wahrheit ist, wie so oft, enttäuschender und zugleich viel verstörender.
Der Weg in den Abgrund der Erkenntnis
Dr. Thorben Weiland (ja, der Doktortitel in Soziologie über „Die Dehumanisierung des Individuums in urbanen Co-Working-Spaces“ ist echt und die größte Ironie seines Lebens) war einst einer von uns. Schlimmer noch: Er war ein Vorbild. Ein Musterexemplar der Konformität, dessen Lebenslauf glänzte wie eine frisch polierte Grabplatte. Er stand um 6:00 Uhr auf, trank Selleriesaft, hörte Motivations-Podcasts und glaubte aufrichtig an Konzepte wie „Work-Life-Balance“, „agiles Arbeiten“ und die heilende Kraft von After-Work-Partys mit lauwarmem Prosecco.
Jahrelang funktionierte er als perfekt geöltes Rädchen im Getriebe einer großen Unternehmensberatung. Seine Aufgabe war es, anderen Firmen beizubringen, wie sie durch „optimierte Synergien“ und „disruptive Strategien“ die Seelen ihrer Mitarbeiter noch effizienter auspressen konnten. Er war der Hohepriester des Bullshit-Bingos, ein wandelndes LinkedIn-Profil.
Der Knall, der kein Knall war
Sein Erwachen war kein lauter Knall, sondern ein leises, inneres Reißen. Der Moment der Erleuchtung kam nicht auf einem Berggipfel in Tibet, sondern an einem regnerischen Dienstagnachmittag in einem vierstündigen Workshop zum Thema „Emotionale Resilienz im Büroalltag“. Als die externe Trainerin mit Filzstiften ein „Gefühls-Barometer“ an ein Whiteboard malte und die Teilnehmer aufforderte, ihre „innere Wetterlage“ mit einem Smiley zu bewerten, spürte Dr. Weiland, wie eine jahrzehntelang unterdrückte Sicherung in seinem Gehirn durchbrannte.
Es war kein Wutanfall. Es war eine plötzliche, überwältigende Klarheit. Eine Offenbarung von kosmischem Ausmaß: Es ist alles komplett sinnlos.
Die glorreiche Auferstehung als Misanthrop
Von diesem Tag an begann Weilands Transformation. Er praktizierte nicht mehr „Achtsamkeit“, sondern „Abwesenheit“. Er perfektionierte die Kunst, in Zoom-Meetings mit ausgeschalteter Kamera anwesend zu sein, während er Dokumentationen über Faultiere schaute. Er antwortete auf E-Mails nicht mehr mit „Mit freundlichen Grüßen“, sondern gar nicht mehr. Er hat das „Quiet Quitting“ nicht erfunden, aber er hat es zur Vollendung gebracht.
Sein Manifest ist daher kein geplantes Werk. Es ist der Bodensatz seiner Verachtung, der sich über Jahre in Notizbüchern, auf Bierdeckeln und in den Rändern von Meeting-Protokollen angesammelt hat. Es ist das Destillat unzähliger ertragener Smalltalks, erzwungener Lächeln und unaufgeforderter Lebensratschläge von Kollegen, deren größter Lebensinhalt ihr neuer Thermomix ist.
Heute lebt Dr. Thorben Weiland angeblich immer noch unter uns. Er ist der Mann, der Ihnen in der Supermarktschlange wortlos den Einkaufswagen in die Hacken schiebt. Der Nachbar, der nie grüßt. Der stille Passagier in der U-Bahn, dessen Gesichtsausdruck eine Mischung aus Langeweile und tief empfundenem Hass auf die Menschheit ist.
Er wünscht sich keine Fanpost. Die größte Ehre, die man ihm erweisen kann, ist, sein Buch zu lesen, anerkennend zu nicken und ihn dann für immer und ewig in Ruhe zu lassen.